Scangraphic
Die Firmengruppe Dr. Böger hat sich schon früh mit dem Thema Satz- und Reprotechnik beschäftigt. Bereits 1934 gründete Dr. Marius Böger die erste Firma für die Herstellung und den Vertrieb von »Photokopier- und Reproduktionsgeräten«. Im Jahre 1950 erfolgte die Gründung der Dr. Böger Duplomat Apparate GmbH mit dem Ziel der Produktion von Lichtpausgeräten und Geräten für die Reprofotografie. Die Ursprünge der heutigen Scangraphic Digital Type Collection datieren auf das Jahr 1969, der Gründung der Dr. Böger Photosatz GmbH. Seitdem beschäftigte sich das Unternehmen mit der Entwicklung neuer Satztechniken. In den folgenden Jahren wurden unter der Marke »Copytype« mehr als 3500 Titelsatzgeräte verkauft. Mit der Fertigung der zur Satzerstellung erforderlichen Typenplatten sammelte das Unternehmen auch erste Erfahrungen in der Herstellung von Schriftvorlagen. Ein entscheidender Vorteil war hierbei, dass Bernd Holthusen, der über zwei Jahrzehnte das Unternehmen leitete, ausgebildeter Typograf und Designer war. Die Entscheidung, sich voll auf die sich entwickelnde digitale Satztechnologie zu konzentrieren, erfolgte 1976 mit dem Einstieg von Kurt Schmiedel als geschäftsführender Gesellschafter. Auf der Drupa 1982 wurde erstmals das Scantext 1000 Satzsystem vorgestellt. Ende 1984 wurde das System bereits erfolgreich in 15 europäischen Ländern vertrieben und stellt somit eine ernsthafte Konkurrenz zu den etablierten Herstellern wie der H. Berthold AG, der Linotype AG und der amerikanischen Compugraphic Corp. dar. Im Gegensatz zu den Wettbewerbern bot Scangraphic in den meisten Fällen Praktikern und Ästheten die Möglichkeit, auf hohem Qualitätsniveau typografische und systemtechnische Ansprüche kostengünstig in Einklang zu bringen.

Einen wichtigen Beitrag dazu lieferte die für das Satzsystem zur Verfügung gestellte digitale Schriftenbibliothek. Das erste 1984 erschienene Schriftmusterbuch stellte auf 1312 Seiten bereits 520 digitale Text- und Auszeichnungsschriften vor. Schon im Februar 1985, im Jahr der Einführung des Apple Macintosh, erschien die zweite Auflage der »Scangraphic Digital Type Collection«, dieses Mal als Doppelband. Auf über 2000 Seiten wurden darin 751 Schriften präsentiert. Jede einzelne Schrift der 183 Familien wurde in 17 Größen und 21 Textblöcken mit dem vollständigen Figurenverzeichnis auf zwei Seiten dargestellt. Visuelle Anregungen, verbunden mit kalkulatorischen und schrifttechnischen Informationen machte diese Publikation zu einer wertvollen Quelle für alle, die mit dieser neuen Satztechnik umzugehen lernen mussten.

Am Anfang einer jeden Schriftdigitalisierung stand auch bei Scangraphic die Klärung der Lizenzrechte und der Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit dem Inhaber der jeweiligen Verwertungsrechte. Mit zunehmendem Erfolg des Scantext-Systems stieß man hierbei auf größere Probleme. Dieses betraf vor allem die Lizenzierung so genannter »Exklusivschriften« der Wettbewerber wie Linotype und der H. Berthold AG, ohne die es in einzelnen Fällen schwierig war, die Anwender von einem Satzsystemwechsel zu überzeugen. Ein Schriftenaustausch unter den Systemen, wie er heute selbstverständlich ist, war in den Zeiten der Umstellung von analoger Fotosatztechnik auf digitale Lasersatztechnologie nicht möglich, da alle damaligen Geräte eine geschlossene Funktionseinheit bildeten. Diese Tatsache führte auch bei Scangraphic, wo es rechtlich unangreifbar war, zur Herstellung von Schriftentwürfen großer Ähnlichkeit oder zu direkten Kopien von Schriften der Wettbewerber. Scangraphic fügte verschiedenen Schriftmusterübersichten sogar »Referenzlisten ähnlicher Schriften« (siehe Link am Ende des Textes) bei, die es den Anwendern ermöglichen sollten, bei der Auftragsvergabe mit Satzsystemen von Wettbewerbern zu konkurrieren.

Um auch im Schriftangebot den Mitbewerbern etwas Eigenständiges entgegensetzen zu können, gab Bernd Holthusen die Entwicklung eigener Exklusivschriften in Auftrag. So wurde Hermann Zapf für den Entwurf der Renaissance Antiqua (1987) gewonnen, hausintern wurde der von Typoart Dresden kommende Volker Küster mit der Schaffung der Schriftfamilie Today (1988) betraut. Die Antiquafamilie Forlane von Jelle Bosma (1991) und die Pixelschrift Kapplusch (Karl-Max Kapplusch, 1984) erweiterten die Reihe.

Für die Erstellung der digitalen Fonts entwickelte Scangraphic aufbauend auf den Erfahrungen der Typenplattenfertigung für die Copytype-Titelsatzgeräte eine eigene Vorgehensweise. In der Anfangszeit wurden die von den Lizenzgebern in unterschiedlicher Qualität angelieferten Schriftzeichen auf eine einheitliche Größe von 60 mm Versalhöhe vergrößert und dann mit einer eigens für diesen Zweck entwickelten Schabetechnik Zeichen für Zeichen aufeinander abgestimmt und geschärft. Diese analogen Reinzeichnungen wurden auf Lochkarten montiert und mittels eines von Scangraphic entwickelten Scanners digitalisiert. Diese Daten wurden anschließend einer elektronischen Korrektur und Qualitätskontrolle unterzogen, wobei nochmals die Zurichtung und das Kerning optimiert wurden. Nach den obligatorischen Satzproben kamen die Schriftzeichen, die zu der Zeit bereits auf ein Geviert von 512 x 512 Einheiten eingestellt waren, in die digitale Fontfertigung.

Für die später eingeführten Supertype-Fonts, die den Titelsatz revolutionierten, wurden dann bereits vielfach digitale Daten als Ausgangbasis für die Fontfertigung benutzt. Im Zuge des Ausbaues der Supertypes Ende der achtziger Jahre wurden z. B. über 900 Datenformate von der Firma URW in Hamburg erworben und unter Leitung des damaligen Typedirektors von Scangraphic, Volker Küster, seinen Vorgaben entsprechend bei URW angepasst. Seit der Einführung dieser für den Headlinesatz gestalteten Fonts erscheinen die Schriften der Scangraphic Type Collection in zwei Versionen. Eine für Textsatz (Bodytypes) und eine für den Titelsatz (Supertype). Das offensichtlichste Unterscheidungsmerkmal ist die Zurichtung. Die der Bodytypes ist den Lesegraden angemessen. Die der Supertypes ist entschieden enger gehalten, um den Anforderungen des kompakten Headlinesatzes gerecht zu werden. Auch die Kerningtabellen sind für beide Schriftvarianten individuell. Neben den Unterschieden in der Zurichtung gibt es Unterschiede im Design. In den Bodytypes wurden feine Einzüge gebildet, um das Zuschmieren von spitzen Winkeln in kleinen Schriftgraden zu verhindern. Bei vielen Bodytypes wurden Haarlinien und Serifen angefettet oder die ganze Schrift wurde an die optischen Bedingungen des Satzes in kleinen Graden angepasst. Alle Supertypes enthalten für die deutschen Versalumlaute als Alternative integrierte Akzente, die einen sehr kompakten Headlinesatz von Versalzeilen zulassen.

Mit zunehmender Bedeutung der Personalcomputer als Frontend in der Satztechnik wurden alle Scangraphic Fonts auch in das damals vorherrschende PostScript-Format umgesetzt und konnten somit von allen Desktopsystemen genutzt werden. Die Anzahl der damals angebotenen Fonts belief sich 1992 auf 1600 Schriftschnitte (siehe Link am Ende des Textes), wovon ca. 60 % sowohl als Text- (SB) als auch als Headlinefont (SH) zur Verfügung standen.

Heute werden aufgrund veränderter Rechtsverhältnisse und ausgelaufener Lizenzverträge von dem Elsner+Flake vorliegenden Gesamtbestand aller Schriftdaten nur noch ca. 900 Schriftschnitte angeboten. In einzelnen Fällen war es bisher aber meistens möglich, für besondere Zwecke spezielle Lizenzvereinbarungen mit den jetzigen Rechteinhabern zu vermitteln. Die Scangraphic-Fonts werden seit 2004 exklusiv von Elsner+Flake unter Lizenz der Scangraphic Prepress Technology GmbH aktualisiert und vertrieben. Kundenspezifische Anpassungen erfolgen bei den Elsner+Flake Designstudios in Absprache mit den jeweiligen Lizenzgebern.

Verwendete Textauszüge mit freundlicher Genehmigung der Scangraphic Prepress Technology GmbH, 2008


Scangraphic Digital Type Collection, Referenzliste 1992


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