Die Prillwitz® von Typoart – Die Replik einer deutschen klassizistischen Antiqua
Prof. Dr. Albert Kapr, Typograph, Fachbuchautor und künstlerischer Leiter von VEB Typoart® Dresden sah seine Aufgabe nicht nur in der Auswahl und Bewertung der ihm zum Aufbau der Typoart-Schriftenbibliothek vorgelegten Entwürfe, sondern war im Rahmen seiner Tätigkeit bei Typoart auch als Schrifthistoriker und Schriftentwerfer tätig.

Das Bestreben Kaprs war es unter anderem, für den Schriften herstellenden Betrieb VEB Typoart® im Auftrag der ZENTRAG eine eigenständige und anwendungsgerechte Schriftauswahl zu entwickeln. Dieses war aufgrund der in der ehemaligen DDR herrschenden politischen, technischen und finanziellen Zwänge, Abhängigkeiten und Auffassungen keine leichte Aufgabe. Trotzdem hat Kapr, soweit es ihm zielführend erschien, die verschiedensten Bestrebungen von Schriftkünstlern und Typographen unterstützt und war zudem selbst bemüht, Zeit für Forschung und Lehre aufzuwenden, um seine Absicht voranzutreiben.

In diesem Zusammenhang stieß Albert Kapr bereits in den sechziger Jahren auf die typographischen Arbeiten des Schriftschneiders Johann Carl Ludwig Prillwitz. Die Idee der Realisierung einer Replik der klassizistischen Formensprache der Prillwitz-Type zur Ergänzung der Typoart-Bibliothek wurde derzeit aber hintenan gestellt, da es zuerst galt, den häufigsten Anfragen und Wünschen der Druckereibetriebe Folge zu leisten. Diese waren vorrangig geprägt durch die bis in die achtziger Jahre verwendeten Schriften, die in Ermangelung eigener Satzsysteme aus dem Westen importiert wurden. Aus diesem Grunde entschied man sich, zunächst eine Replik der 40 Jahre nach der Prillwitz-Type erschienenen Walbaum Antiqua verfügbar zu machen. Erst nach Installation neuer technischer Mittel im Bereiche der digitalen Schriftherstellung wie dem IKARUS-System der Hamburger Firma URW (Unternehmensberatung Rubow Weber GmbH) durch Veronika Elsner im Jahre 1978 konnten die Entwurfs- und Produktionskapazitäten soweit gesteigert werden, dass Albert Kapr nach der digitalen Umsetzung der am häufigsten nachgefragten Schriftfamilien 1986 die Digitalisierung der bereits 1979 entworfenen Prillwitz Type in die Wege leiten konnte.

Zur Veröffentlichung der Prillwitz-Type 1987 erschien eine von Norbert du Vinage gestaltete zwölfseitige Schriftprobe, in der er die Prillwitz-Type wie folgt vorstellt:
»Schrift ist der visuelle Ausdruck unserer Gedanken, und so verwundert es nicht, dass bedeutende gesellschaftliche Veränderungen stets auch Ausgangspunkt neuer Stilepochen der Schriftkunst waren. Die Französische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts beseitigte die feudalen Fesseln für Handel und Gewerbe. Auch in der Kunst wurde nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten für die Ideen der Aufklärung gesucht. Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung eines neuen Schrifttyps, der später den Terminus ›Klassizistische Antiqua‹ erhielt, hatte der Pariser Drucker François-Ambroise Didot (1730-1804). Die Kunst der Antike entsprach am ehesten der rationalistischen Denkweise des aufstrebenden Bürgertums, und so schuf er eine Schrift, welche die Vollkommenheit jeder Einzelform anstrebte, exakt und zugleich harmonisch, streng und scharf. Formelle Merkmale der neuen Typen waren: extremer Kontrast zwischen Haar- und Schattenstrichen, nur noch dünne waagerechte Linien als Serifen, zu einheitlicher Breite tendierende Versalien und eine vertikal verlaufende Schattenachse der Rundungen. Diese Didot-Antiqua, die später von seinen Söhnen vervollkommnet wurde, beeinflusste entscheidend die Schriftentwicklung in ganz Europa.

Obwohl Deutschland gegenüber Frankreich ökonomisch zurückgeblieben war und trotz der traditionellen Vorliebe des deutschen Volkes für die Fraktur kam mit den Ideen der Aufklärung auch die Antiqua wieder ins Land. Justus Erich Walbaum (1768-1839) brachte etwa 1830 in Weimar eine Type heraus, die beliebt ist bis in die heutige Zeit und wahrscheinlich deshalb fälschlich als erste deutsche klassizistische Antiqua bezeichnet wurde. Aber bereits 1790 waren im ›Journal des Luxus und der Moden‹ in Weimar Proben ›neuer Didotscher Lettern‹ vorgestellt worden, die von dem Jenaer Schriftgießer Johann Carl Ludwig Prillwitz (1759-1810) stammten. Er schnitt diese im Auftrag des Leipziger Verlegers Goeschen, der mit der neuen Type Bücher für Goethe, Schiller, Herder und Wieland druckte und dafür vom Publikum sowie von den Autoren viel Beifall erhielt. Wielands gesammelte Werke in der Prillwitz-Antiqua zählen noch heute zu den schönsten deutschen Klassiker-Ausgaben überhaupt.

Typoart® hat sich entschlossen, neben der populären Walbaum auch die noch weitgehend unbekannte Prillwitz-Antiqua für den Fotosatz anzubieten. Dies ist möglich, da sich beide Schriften nicht nur in den Einzelformen, sondern auch in prinzipiellen typografischen Merkmalen wesentlich unterscheiden. Während die Walbaum breitlaufend und relativ mager ist, präsentiert sich die Prillwitz® in unserer Replik kräftig, schmal und eng. Ihre Formen sind archaisch, aber nicht grob, und die ungewöhnlich große Höhe der Gemeinen führt auch bei einem Einsatz in 8pt noch zu guten Ergebnissen. Anders als bei der Walbaum-Antiqua, wo die Oberlängen von b, d, f, h, k, l mit der H-Höhe abschließen, ragen sie hier weit über die Versalien hinaus. Die Haarlinien und Serifen sind deutlich kräftiger als bei der Didot und somit auch im Offsetdruck und auf weniger gutem Papier nicht gefährdet.

Die Prillwitz-Antiqua ist eine ›Entdeckung‹ unseres langjährigen künstlerischen Leiters und Gutenberg-Preisträgers Prof. Dr. Albert Kapr. Bereits in den sechziger Jahren hat er auf die Bedeutung dieser Schrift hingewiesen, und Entwürfe für eine lateinische und griechische Bleisatzschrift vorgelegt. Aber erst die durch moderne Technik gewachsene Schriftentwicklungs-kapazität machte es möglich, diese interessante Replik für den Fotosatz aufzubereiten. Gemeinsam mit dem Dessauer Grafiker Werner Schulze wurde eine Satzschrift erarbeitet, die für belletristische, aber auch anspruchsvolle wissenschaftliche Texte gut einsetzbar ist und damit die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit beider Schriftschöpfer erneut dokumentiert.«

(Textwiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Norbert du Vinage, Dresden)

Die Replik der Prillwitz-Type stieß auf großes Interesse, da sie eine echte Alternative zu der bis dato einzigen klassizistischen Buchschrift im Angebot bei Typoart®, einer Replik der Walbaum Antiqua, darstellte. In seinem Buch Type-Design+Schriftherstellung stellt Kapr dann sowohl die Walbaum- als auch die Prillwitz-Type einem breiteren Fachpublikum vor und geht in jeweils einem kurzen Text auf die Ursprünge und Besonderheiten beider Antiquaschriften vergleichend ein. Zur Prillwitz-Type führte er aus:

»Im ›Journal des Luxus und der Moden‹, das Bertuch in Weimar herausgab, erschien 1790 eine Anzeige, in der eine neue Schrift des Jenenser Schriftgießers I. C. L. Prillwitz vorgestellt wurde. Diese Schrift war von dem bekannten Leipziger Verleger Georg Joachim Göschen für die geplanten Werkausgaben von Herder, Goethe, Schiller und Wieland bestellt und am besten in Wielands gesammelten Werken angewendet worden. Sie ist demnach die älteste deutsche klassizistische Antiqua, die neben der 40 Jahre später erschienenen gemütvollen und etwas romantischen Walbaum-Antiqua einen durchaus eigenen Ausdruck aufweist. In ihr atmet der Geist der Französischen Revolution und jener deutschen Dichter und Philosophen, die in ihrer Heimat für die bürgerlichen Freiheiten eintraten. Die Prillwitz® läuft schmaler als die Walbaum, sie wirkt archaischer als die Bodoni, aber sie ist durchaus lesefreundlich. Dies bewirken extrem große Mittelhöhen, eine kräftige Grundfette und Oberlängen, die deutlich größer sind als die Versalien. Die Haarstriche sind kräftiger als bei vergleichbaren klassizistischen Schriften. Sie werden deshalb auch auf weniger anspruchsvollem Papier im Offsetdruck gut wiedergegeben. Seltsamerweise wurde diese schöne und in der Geschichte der deutschen Schriftkunst so wichtige Type nicht bereits früher als Nachschnitt angeboten. Vielleicht liegt es daran, dass in den letzten Jahrhunderten die Fraktur als ›die‹ deutsche Schrift betrachtet wurde und für die Antiqua eher französische, italienische und englische Schriftkünstler zuständig zu sein schienen. Es steht Typoart® gut an, wenn diese vor 200 Jahren als Schrift der deutschen Klassiker konzipierte Type als Replik erscheint, die von Albert Kapr und Werner Schulze unter Wahrung ihrer Eigenart neu für den Lichtsatz (Digiset) gezeichnet wurde. Die Anwendungsgebiete der Prillwitz sind die Belletristik, der wissenschaftliche Satz, das Sachbuch und andere Drucksachen.« (Zitat aus »Fotosatzschriften«, Kapr/Schäfer VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1989)

In der Folge wurde die Prillwitz® fester Bestandteil des Typoart-Schriftangebotes und gehörte somit auch zu der Auswahl von Schriften, die für das bei Typoart entwickelte digital arbeitende TVS-System umgesetzt wurden. In dem parallel erschienen Schriftmusterkatalog wurde die Prillwitz-Type mit entsprechenden Satzproben präsentiert. Nach der Wende wurde die Entwicklung und Produktion des Belichters allerdings nicht weiter verfolgt. Die Abwicklung von VEB Typoart® durch die Treuhand beendete schließlich auch den gesamten Schriftherstellungsprozess. Der neue Eigentümer der zuvor in eine GmbH überführten Betriebsteile von VEB Typoart, Karl Holzer, konvertierte mit Hilfe ehemaliger Typoart-Mitarbeiter die bei der Übernahme vorgefundenen IKARUS-Daten der Prillwitz® in das damals gefragte PostScript-Format. Das Ziel Karl Holzers, die Prillwitz sowie eine Vielzahl weiterer digitaler Typoart® Schriften professionellen Anwendern verfügbar zu machen, scheiterte jedoch nach kurzer Zeit vermutlich in Ermangelung wirtschaftlichen Erfolges. Über Jahre stand deshalb die Prillwitz® nur auf dem einzigen noch funktionsfähigen TVS-Belichter bei SchumacherGebler, Dresden, zur Verfügung.

Zum 40-jährigen Bestehen von Typoart® veröffentlichte Norbert De Vinage in der Zeitschrift »Papier und Druck 37 (1988) 11« den Artikel »40 Jahre Typoart – vier Jahrzehnte intensives Bemühen um niveauvolle Schriften«. Norbert du Vinage formuliert in dem fünfseitigen Artikel Gedanken zum damaligen Stand und der geplanten Entwicklung der Schriftherstellung und des Vertriebs in der DDR und im ehemaligen Ostblock. Mit diesem Artikel wurde Typoart® und das Typoart-Schriftenangebot einem breiten Publikum weit über die polygraphische Industrie hinaus bekannt gemacht. Zum Thema »Schriften des Klassizismus« führte Norbert du Vinage unter anderem folgendes aus:

»Die Geschichte der Schrift sprach bisher von drei großen Schriftschneidern des Klassizismus: Dem Franzosen Didot, dem Italiener Bodoni und dem Deutschen Walbaum. Durch die wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten von Prof. Dr. Albert Kapr muss diesen drei Namen heute ein vierter hinzugefügt werden: Johann Carl Ludwig Prillwitz. Nachweislich hat er bereits etwa 40 Jahre vor Walbaum klassizistische Schriften in Deutschland herausgebracht, die auch heute noch durchaus Beachtung verdienen.«

Interessant und wichtig ist die Erkenntnis der Entstehungsreihenfolge der Prillwitz- und Walbaum- Type deshalb, weil damit klar ist, dass nicht Walbaum den Stil der deutschen klassizistischen Antiqua geprägt hat, sondern Johann Carl Ludwig Prillwitz. Walbaum hat die besondere Auffassung der Prillwitz-Type lediglich aufgegriffen und weiterentwickelt.

Nach der Wende wurden auch Schrifthersteller, Typografen und Grafiker aus den alten Bundesländern auf die von Albert Kapr interpretierte Prillwitz-Type aufmerksam. Dass Typoart® digitale Satzschriften von hoher Qualität, umfassenden Ausbau und in verschiedenen Punktgrößen-Designs fertigte, war spätestens seit 1985 durch den Vertrieb der Fonts auch im Weste bekannt. Das im Font-Angebot von Typoart® aber auch bisher im Westen unbekannte Schriften verfügbar waren, überraschte selbst viele Typographen. Dieser Umstand veranlasste Eckehart SchumacherGebler, die Prillwitz-Type in den »Annual and Calendar 1992, 26 Letters« aufzunehmen und ausführlich vorzustellen. In dieser als Kalender konzipierten Übersicht wurden neue, bemerkenswerte und für ihren Ausdruck und Stil richtungsweisende Schriftentwürfe vorgestellt. Dreisprachig angelegt und auf internationaler Ebene verteilt, erhielt die Prillwitz-Type als Ursprung der deutschen Interpretation der klassizistischen Antiqua endlich das Forum, das Albert Kapr ihr zumessen wollte. Mit freundlicher Genehmigung von Eckhart SchumacherGebler publizieren wir nachfolgend den 1992 veröffentlichten deutschen Text zur Prillwitz-Type.

»1790 fand sich in der ›Zeitschrift des Luxus und der Moden‹ in Weimar eine Druckprobe von Johann Prillwitz’ ›neuer Didotscher Lettern‹. Der Schriftschneider hatte sie für den Leipziger Verleger Goeschen gefertigt, der Goethe, Schiller, Herder und Wieland druckte. Diese Ausgaben wurden sehr geschätzt, obwohl die ansonsten ausdrucksstarke Schrift von Prillwitz doch Anzeichen von Qualitätsmängeln im Stempelschnitt aufwies.

Die neue Version von Typoart® sollte den ursprünglichen Schriftcharakter beibehalten, aber mit Hilfe der modernen Herstellungsverfahren technisch ausgereifter sein. Albert Kapr arbeitete mit dem Dessauer Graphik-Designer Werner Schulze zusammen, mit dem er bereits früher mehrere Projekte gemeinsam realisiert hatte. Das geschulte Auge erkennt die Formunterschiede der einzelnen klassizistischen Schriften wie Bodoni, Walbaum und Didot. Firmin Didots Formen zeigen die spitzesten Winkel, ohne jeden Übergang; er wählte den für die damalige Technik größtmöglichen Kontrast zwischen Haarlinien und fetten Grundstrichen. Prillwitz' Originalschrift zeigt dieselbe Geradwinkligkeit, ohne allerdings im Hinblick auf die weniger günstigen Druckbedingungen hierzulande den gleichen Kontrast anzustreben. Kapr hat der Prillwitz-Antiqua diese Charakteristika bewahrt, vor allem die markanten dreieckigen Serifen der Versalien übernommen. Die Oberlängen sind höher als die Versalien, wobei die Haarlinien, obgleich kräftiger als bei Didot, den Kontrast klassizistischer Schriften zum Ausdruck bringen. Wie bei allen anderen Schriften von Typoart® wurden mehrere Ausgangszeichnungen für die verschiedenen Größenbereiche erstellt. Dieses Vorgehen ist insbesondere bei klassizistischen Schriften wichtig, will man die feinsten Haarlinien in den Schriftgraden über 24 p erhalten. Der Prillwitz-Antiqua sind eine begleitende Kursive und eine fette Garnitur beigegeben. Alle drei Schnitte sind mit Normal- und Mediävalziffern erhältlich.

Professor Albert Kapr war künstlerischer Leiter in Dresden. Die Firma entstand nach dem 2. Weltkrieg durch Zusammenlegung der vier traditionsreichen Schriftgießereien Schriftguß vormals Brüder Butter in Dresden, der Norddeutschen Schriftgießerei, Schelter & Giesecke und Ludwig Wagner in Leipzig, von der die heute in Ingolstadt bestehende Gießerei Joh. Wagner abstammt. Kapr beschäftigte sich seit langer Zeit mit der Schrift von Johann Carl Ludwig Prillwitz, deren Original er in den sechziger Jahren entdeckte. Prillwitz lebte in Jena und arbeitete als Gießer. Seine Schrift ist stark von Didot beeinflusst und tauchte erstmals 1790 in einer Probe auf. Sie entstand somit noch vor der Walbaum, die etwa um die Jahrhundertwende herauskam und gemeinhin als erste deutsche klassizistische Schrift gilt. Kapr hat die Schrift jetzt als Replik unter dem Namen Prillwitz-Antiqua für Typoart® neu gezeichnet und die Herstellung der digitalen Fonts überwacht.« (Zitat aus »26 Letters«- An Annual and Calendar 1992, Publisher: SchumacherGebler, Studio für Typografie und Satz. Mit freundlicher Genehmigung von Eckehart SchumacherGebler.)

Spätestens seit diesem Zeitpunkt war die Prillwitz® Schriftgestaltern und Typografen ein Begriff und über das Typoart® TVS-System bei SchumacherGebler bzw. als PostScript-Fonts für Microsoft Windows und Apple Macintosh laut Schriftmusterübersicht der damaligen Typoart GmbH allen PC-Anwendern zugänglich.

In dem 1995 erschienen Buch »Über das Vergnügen Bücher zu machen« (Hochschule für Grafik, und Buchkunst, Leipzig) wurde neben anderen wichtigen Buchschriften der ehemaligen DDR unter anderem auch die Prillwitz® vorgestellt, was ihre Bedeutung im Bereich Schrift und Typographie abermals unterstreichen sollte. Da die Schrift erst kurz vor der Wende verfügbar gemacht wurde, sind jedoch nur wenige nennenswerte Anwendungen bekannt.

Wie die Interpretation der Prillwitz-Type durch Albert Kapr aus heutiger Sicht zu bewerten ist, kommt sicher auf den individuellen formalen Standpunkt an sowie auf die persönliche Sicht, die man zur Schriftgestaltung und zu den Schriftgestaltern in der ehemaligen DDR entwickelt hat. Unbestreitbar ist aber auf alle Fälle, dass die Interpretation der Prillwitz-Type von Albert Kapr einen formal kräftigen Gegenpol zu den teilweise leichten und eleganten italienischen und französischen Ausdrucksformen und Anmutungsqualitäten der klassizistischen Antiqua darstellt. Die Prillwitz-Type und die nachgefolgte Walbaum-Type spiegeln aber nicht nur die Auffassung ihrer Schöpfer und Interpreten wider, sondern sind auch Spiegel typisch deutscher Merkmale. Die Prillwitz® von Typoart® verleugnet nicht ihre strenge Standhaftigkeit, ihre Entschiedenheit und ihr robustes Auftreten, das manchen Anwendern, die dem weichgespülten, globalisierten Schriftdesign frönen, unangenehm erscheint. Farbe zu bekennen, sich abzugrenzen und Entscheidungen bewusst zu treffen sind aber Wesensmerkmale ursprünglichen Schriftdesigns und der typografischen Gestaltung.

Im Zuge der Revitalisierung der Typoart-Bibliothek durch die Firma Elsner+Flake wurde in Abstimmung mit ehemaligen Verantwortlichen, Designern und heutigen Rechteinhabern 2006 auch die Prillwitz-Antiqua als Prillwitz EF wieder verfügbar gemacht. Die von Albert Kapr autorisierten Originalformen sind heute Bestandteil der Typoart-Bibliothek und, wie seiner Zeit von Albert Kapr konzipiert, als Text- und Headline-Design verfügbar. Die damals ebenfalls gelieferte Display-Version erübrigt sich nach dem heutigen Stand der programmtechnischen Möglichkeiten, da bei dieser Variante im Vergleich zur Headline lediglich die Zurichtung modifiziert wurde. Die Prillwitz EF ist in vier Font-Formaten erhältlich und wird den aktuellen Erfordernissen entsprechend weiter ausgebaut. Bei Typoart® selbst waren bereits die kyrillischen Varianten in Vorbereitung, die in absehbarer Zeit auch die Prillwitz EF ergänzen werden.

Wie von anderen Schriften aus dem Bestand von Typoart® sind heute auch von der Prillwitz-Type Kopien, Modifikationen und Interpretationen im Umlauf, von deren Qualität und Originaltreue sich jeder Anwender sein eigenes Bild machen muss. Elsner+Flake hat bei der gestalterischen und technischen Aktualisierung auf Basis der Typoart-IKARUS-Daten (ZENTRAG) aus dem Jahre 1989 ein Mindestmaß an Veränderungen und Anpassungen vorgenommen, um eine größtmögliche Originaltreue der von Albert Kapr autorisierten Formen zu wahren. [gf07/06]

Alle verwendeten Produktbezeichnungen, Wortmarken und Schriftnamen sind Warenzeichen oder registrierte Warenzeichen ihrer jeweiligen Eigentümer. Die Wiedergabe dieser Textinhalte, auch auszugweise, bedarf der schriftlichen Genehmigung ihrer jeweiligen Verfasser.

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